Der Artikel aus der Ausgabe 2/17 über Trainerhonorare hat in der Branche für großes Aufsehen gesorgt. So manchen Trainer und HR-Verantwortlichen regte er zum Nachdenken an, so manchen nur zu unreflektierten Äußerungen. TRAiNiNG befragte die Expertin Liss Heller zu den geäußerten Kritikpunkten.
Wie kalkulieren Trainer und Speaker ihre Honorare? Dieses Thema – so haben die mitunter heftigen Reaktionen auf den Artikel bewiesen – ist offensichtlich sehr emotional belegt. Es scheidet die Geister. Die einen verrechnen 1.000,– € für einen Tag und freuen sich darüber, die anderen arbeiten nicht unter 5.000,– €. Es herrscht die freie Marktwirtschaft, und jeder darf verlangen, was er will und nehmen, was immer Unternehmen bereit sind zu zahlen. Dass manche Trainer sich viel zu billig verkaufen, kam in dem Interview mit der Trainerin und Steuerberaterin Liss Heller ganz klar heraus.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Berechnungen. Was sagen Sie zur aktuellen Debatte zu diesem Thema?
Ich freue mich, dass das Thema wieder einmal aufgegriffen wird und habe über die im Artikel angeführten Zahlen nachgedacht. So wie übrigens mehrere Kollegen, mit denen ich gesprochen habe. Der Artikel sollte uns Trainer zum Nachdenken anregen, das ist klar und gelungen. Das eigene Tun zu hinterfragen, ist wichtig und notwendig. Dennoch ist der Artikel meiner Meinung nach in vielen Punkten falsch.
Sie haben die berechneten Kosten für einen Personalentwickler im Unternehmen infrage gestellt. Können Sie das näher ausführen?
Der Autor unterstellt einem Personalentwickler ein Bruttojahresgehalt von 48.000,– € für ca. 250 Arbeitstage und errechnet so einen Bruttotagessatz von 192,– €.
Dabei übersieht er die Lohnnebenkosten völlig, die der Arbeitgeber tragen muss. Wenn jemand rund 3.400,– € brutto im Monat verdient (14-mal), müssen wir davon ausgehen, dass er in Deutschland ca. das 18-Fache und in Österreich ca. das 20-Fache an Kosten verursacht. Damit sind wir gleich einmal bei Kosten von rund 68.000,– €.
Im Artikel vergleicht der Autor diesen Betrag mit dem Wert eines selbstständigen Trainers. Dieser Betrag rechtfertigt aber noch lange nicht das »Gehalt« eines Trainers. Hier müssen wir noch einen Aufschlag dafür nehmen, dass jemand selbstständig arbeitet, der sich durch die unternehmerische Tätigkeit und das Risiko rechtfertigt. Schauen wir uns auch die 250 Arbeitstage näher an. Auch diese entsprechen meiner Meinung nach nicht der Realität: Von 52 Wochen müssen wir 2 Wochen für Feiertage abziehen, 5 Wochen für Urlaub und ca. 2 Wochen für Fehlzeiten. Dann bleiben 43 Wochen übrig. Das sind 215 Arbeitstage. Wie viele Stunden arbeitet nun ein angestellter Mitarbeiter? Gehen wir von 38,5 Wochenstunden aus, dann kommen wir auf 1 650 Stunden pro Jahr Anwesenheit. Hier müssen wir noch Weiterbildungstage, Reisezeiten, unproduktive Zeiten etc. abziehen. Nach meiner Erfahrung ist ein Angestellter mit 1 200 bis 1 300 produktiven Stunden pro Jahr schon sehr gut.
Wenn wir jetzt die 68.000,– € durch 1 200 Stunden dividieren, ergibt sich ein Satz von 57,– € pro Stunde, x 8 ergibt Lohnkosten von 450,– € pro Arbeitstag.
Wir müssen außerdem daran denken, dass der Mitarbeiter einen Arbeitsplatz braucht, vielleicht gibt es Kantinengutscheine, er geht auf Weiterbildung, hat einen eigenen Computer, ein Telefon, einen Schreibtisch etc. Er verursacht auch noch indirekte Kosten durch die Führungskraft, durch die Personaladministration usw. Diese Arbeitsplatzkosten müssen wir natürlich auch noch mitkalkulieren.
Rechnen wir alles zusammen, kommen wir auf 500,– € Kosten pro Tag. Und vergessen wir eines nicht: 48.000,– € ist kein allzu hohes Gehalt für Personalisten.
Der Gehaltsexperte Conrad Pramböck hat dazu im TRAiNiNG 7/16 geschrieben: »Im Schnitt verdienen Personalentwickler beim Berufseinstieg 31.300,– € brutto pro Jahr. Nach 5 bis 10 Berufsjahren liegen die durchschnittlichen Gehälter bei 48.100,– €. Erfahrene Personalentwickler mit mehr als 10 Jahren Berufspraxis erzielen Einkommen von 55.800,– € im Schnitt. Leiter der Personalentwicklung verdienen durchschnittlich 71.300,– € brutto pro Jahr inklusive Bonus. Personalleiter in kleineren Unternehmen verdienen durchschnittlich 78.400,– € brutto pro Jahr. Die Personalchefs der großen Konzerne erzielen Gehälter deutlich jenseits der 100.000-€-Grenze. Im Schnitt liegen ihre Vergütungen bei 154.700,– € inklusive Bonus.«
Wenn wir solche Zahlen annehmen, kommen wir schnell auf Kosten pro Tag von 800,– bis 1.000,– € für einen Angestellten in der Personalabteilung.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Kalkulation auf Seiten der Trainer aus?
Die allermeisten Trainer sind sich einig, dass ein guter, selbstständiger Trainer nicht mehr als 120 bis 130 Tage pro Jahr trainieren kann. Und das ist schon hoch gegriffen. Wer mehr Tage trainiert, kann kaum Spitzenqualität liefern. Diejenigen, die 140 und mehr Tage trainieren, halten das meist nicht lange durch. Vergessen wir nicht die Reisezeiten: Meist ist es der 6.30-Uhr-Flug, der Wecker läutet gegen 4.00 Uhr. Zurück kommt man meist nicht vor 21.00 Uhr.
Es gibt Vorbereitungszeiten, Nachbereitungszeiten etc. Wer von 120 Trainingstagen spricht, arbeitet dafür schnell einmal 200 und mehr Tage, und ein Tag dauert manchmal eben von 4.00 Uhr früh bis spät am Abend, also mit 8 Stunden pro Tag nicht zu vergleichen. Wenn wir das alles betrachten, ergibt sich ein Mindest-Tagessatz von 2.000,– €. Alles darunter führt langfristig zu schlechter Qualität.
Vergessen wir bitte nicht, dass ein selbstständiger Trainer hohe Kosten hat. Er braucht jemanden für die Administration und natürlich einen Verkäufer. Ein Trainer bekommt ja (leider) nicht am 1. Jänner eine Liste von 120 Terminen, an denen er trainieren soll. Außerdem hat er Marketingkosten und er muss zahlreiche Stunden an seinen Inhalten arbeiten, die er regelmäßig updaten muss. Er braucht weiters einen Steuerberater, muss Sozialversicherung bezahlen und eine Zukunftsvorsorge wäre klug. Wenn er einmal für längere Zeit krank ist, bekommt er kein Geld im Vergleich zu einem angestellten Personalentwickler.
Bei den 120 Trainingstagen mal 2.000,– € kommen wir auf einen Jahresumsatz von 240.000,– €. Im Durchschnitt können wir von rund 100.000,– € Kosten pro Jahr für einen erfolgreichen selbstständigen Trainer ausgehen. Das beinhaltet Lohn- und Lohnnebenkosten für Mitarbeiter, Abschreibungen, externe Beratungen wie z. B. Steuerberatung, Telefon, Internet, Versicherungen, Büro, Marketing/Werbung und sonstige Vertriebskosten, Fahrzeug, Weiterbildung, Risikoabgeltung, Sozialversicherung, Bankspesen etc. Da bleibt für den Trainer ein vergleichbares Monatsgehalt von rund 6.000,– € (das ist sein Unternehmerlohn) plus eine Gewinntangente von 10 % (ca. 25.000,– €).
Es gibt Trainer, die rund 160 Tage unter 1.300,– € pro Tag verkaufen. So wird auch ein Umsatz von über 200.000,– € erreicht. Warum funktioniert dieses Modell nicht?
Wenn jemand so viele Tage trainiert, leidet wie gesagt die Qualität der Seminare stark. Der Trainer ist ausgebrannt, hat nicht die Zeit zur Regeneration und um sich selbst weiterzubilden, er kann sein Programm nicht regelmäßig aktualisieren. Diese Trainer beuten sich selber aus. Was sollen sie tun, wenn sie in ein Alter kommen, in dem sie keine 160 Tage mehr arbeiten können? Was sollen sie tun, wenn sie krank werden? Diese Kollegen sollten dringend anfangen zu rechnen!
Seminareinkäufer wollen aber teilweise nicht so viel Geld bezahlen …
Gute schon! (lacht). Dem liegt wieder eine einfache Rechnung zugrunde. Gehen wir von 10 Teilnehmern eines Unternehmens aus, die ein Training konsumieren. Hier muss jeder Personalverantwortliche und Seminareinkäufer überlegen, wie viel das Unternehmen diese 10 Mitarbeiter am Tag kosten. Diese Kosten haben wir oben schon errechnet, also je nach Hierarchiestufe können wir hier zwischen 500,– und 1.000,– € pro Mitarbeiter pro Tag rechnen. Bereits hier entstehen Kosten zwischen 5.000,–und 10.000,– € nur dadurch, dass die Mitarbeiter nicht an ihrem Arbeitsplatz sind. Weiters entstehen Reisekosten zum Seminar, möglicherweise Hotelkosten etc. Dieses Geld ist dann fehlinvestiert, wenn der Trainer schlecht ist. Ob dann der Trainer 2.000,–, 3.000,– oder 5.000,– € kostet, ist eine Lappalie gegenüber dem, was das Unternehmen die verlorene Arbeitskraft und Arbeitszeit der hoch qualifizierten Mitarbeiter kostet.
Garantiert ein höherer Preis dem Einkäufer einen guten Trainer?
Nein, garantieren kann der Preis das nicht. Aber der Preis ist ein Indiz. Es gibt sicher Trainer, die diesen Rahmen überziehen. Aber die halten sich nicht lange am Markt, wenn sie zu viel oder gar unverschämt viel verlangen, ohne einen entsprechenden Gegenwert zu bieten. Wenn ein Trainer nur 60 Tage trainieren möchte, muss er den Tagessatz auf mindestens 4.000,– € erhöhen. Hier stellt sich dann ganz klar eine Frage: Was macht der Trainer mit den restlichen Tagen im Jahr? Wenn er sich mit gesellschaftlichen Themen beschäftigt, neue Ideen und Themen entwickelt, dann sind diese 60 Tage vermutlich tatsächlich den Tagessatz wert. Gute Trainer und Berater gehen regelmäßig in eine Kontemplation, denken konzentriert über ihr Tun und über ihre Aussagen nach, hinterfragen sich selbst und versinken geistig in ihrem Thema. Nur so kann ein Trainer gut bleiben und besser werden. Wenn Trainer bloß »dahinruacheln«, dann ist der Freiraum für das Denken stark eingeschränkt. Ich glaube, dass Menschen, die weniger Stunden arbeiten, diese Zeit viel besser nutzen können, da sie Zeit zum Nachdenken haben.
Ich weiß, dass die meisten Trainer mit einem Tagessatz von über 4.000,– € und 60 verkauften Tagen die restlichen 300 Tage im Jahr sehr weise nutzen. Diese Trainer und Berater übernehmen das Denken in ihrer freien Zeit und bauen diese Gedanken in ihre Seminare ein. Wenn jemand 200 Tage im Jahr trainiert, bleibt einfach keine Zeit zum Denken und zur Weiterentwicklung.
Wie kann ein Personaler herausfinden, ob Trainer den Preis wert sind?
Wir begeben uns durch die Preise oft auf einen Irrpfad und fragen, ob ein Trainer den Preis wert sein kann. Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass gute Leistung ihren Preis hat. Wenn ein Unternehmen aus verschiedenen Gründen einen speziellen Trainer zu einem Thema haben möchte, weil er beispielsweise weiterempfohlen wurde oder das Unternehmen von ihm viel Positives gelesen hat, dann ist er jeden Preis wert. Es gibt auch Tagessätze von 15.000,– € und mehr, die gerne bezahlt werden. Wenn das Unternehmen der Meinung ist, dass der Trainer diesen Satz wert ist, wird er gebucht. Wenn das Unternehmen meint, dass dieser Tag die Mitarbeiter und damit das Unternehmen weiter bringt, sind nicht nur 15.000,– gerechtfertigt, sondern vielleicht sogar 50.000,– €. Es geht hier immer um den Nutzen.
Wie können HR-Manager im Vorhinein wissen, ob ein konkreter Trainer sein Geld wert ist?
Genau das ist der Job eines guten Personalisten, eines guten Seminareinkäufers. Er muss sich einfach vorher informieren, sich ein Bild machen. Er muss genau wissen, welchen Bedarf er decken will. Die erste Frage darf nie nach dem Budget sein, sondern muss die Frage nach dem Nutzen sein. Was sollen meine Mitarbeiter nach diesem Training können? Erst wenn diese Frage beantwortet ist, sollte er sich am Markt erkundigen, wer der Richtige ist, sich Referenzen anschauen, Fachzeitschriften lesen, die Webseite des Trainers ansehen etc. Er muss sich informieren, wer derjenige ist, der in der aktuellen Situation den größten Nutzen stiftet. Es ist ein Unterschied, ob ein Unternehmen einen Verkaufstrainer bucht, um die Mitarbeiter ein wenig zu berieseln oder ob der Trainer wirklich Veränderungen bewirken soll. Jedes Unternehmen hat die Verpflichtung, sich am einschlägigen Markt umzuhören! Der Preis ist nicht das, worum es geht. Wenn ich als Unternehmerin ein Gedächtnistraining für meine Mitarbeiter buche, möchte ich, dass die Teilnehmer nachher weiterüben, um ein besseres Gedächtnis zu bekommen, um z. B. alle Kunden mit Namen anzusprechen. Nur dafür, dass die Mitarbeiter einen schönen Tag haben, soll und darf ein Unternehmen nichts ausgeben.
Was halten Sie von anderen Vergütungsmodellen? Beispielsweise in Prozent des messbaren Ergebnisses?
Die Frage stellt sich häufig nicht, da es in der Praxis bei den meisten Themen nicht funktioniert. Der Erfolg hat viele Väter und Mütter. Wer garantiert den Erfolg? Wenn in einem Seminar wirklich eine Veränderung herbeigeführt wurde, ist das jedes Geld der Welt wert. Wenn ein Seminarteilnehmer aber z. B. nach einem Seminar nach Hause kommt und sein Partner steht mit gepackten Koffern da und verlangt die Scheidung, wird der Seminarerfolg nicht eintreten. Dann ist aber nicht der Trainer schuld.
Natürlich sind das Vergütungsmodelle, über die ein Trainer nachdenken sollte. Ich habe mir meinen ersten Mercedes genau so verdient. Mein Honorar war definiert als 10 % der Einsparungen des Unternehmens im ersten Jahr. Und offensichtlich haben wir sehr viel Geld eingespart. Das ist bei einer Steuerberatung natürlich leicht nachweisbar, bei anderen Themen ist es einfach schwierig bis unmöglich.
Was halten Sie davon, wenn der Trainer seine tatsächlich aufgewendeten Stunden verrechnet, also Vor- und Nachbereitungszeit?
Das würde natürlich die Kalkulation transparenter machen. Es gibt durchaus Unternehmen, die einen halben Tag davor und danach bezahlen. Besser ist es aber, wenn die Vor- und Nachbereitungszeiten pauschaliert werden, sonst kann es zu unnötigen Diskussionen führen. Bei einem Standardseminar, das vom Trainer »runtergebetet« wird, gibt es keine Rechtfertigung für die Bezahlung einer Vorbereitung.
Wie soll ein Trainer reagieren, wenn der Einkäufer einfach nur 1.500,– € bezahlen kann?
Das ist das Schöne an unserem Business, die Kür für jeden Trainer, einfach »Nein« zu sagen, sich seines eigenen Wertes bewusst zu sein. Es ist gut und tut gut, solche Aufträge abzulehnen. Es ist ein klares Zeichen, ob das Unternehmen den Wert des Trainers zu schätzen weiß oder nicht.
Für mich persönlich gibt es manchmal Aufträge, bei denen ich gratis arbeite. Das sind in der Regel karitative Aufträge. Ich habe dafür eine gewisse Anzahl an Tagen reserviert. Da habe ich kein Problem für »nichts« zu arbeiten. Wenn mir aber ein gewinnorientiertes Unternehmen sagt, dass ich für sie nicht mehr als 1.500,– € wert bin, sage ich höflich ab.
Also entweder gratis oder zum jeweiligen Tagessatz und nichts dazwischen. Das Unternehmen, das den Preis drücken will, hat den Nutzen, den der Trainer stiftet, offensichtlich nicht verstanden. Für so ein Unternehmen sollte kein Trainer arbeiten. Das trauen sich jedoch viele Trainer leider nicht zu sagen.
Oder sie können es sich nicht leisten?
Natürlich können sie es sich leisten! Sie können es sich nicht leisten, für weniger zu arbeiten. Trainer sollten verstehen, dass sie sich scharf positionieren müssen. Dann spielt der Preis keine Rolle, weil der Nutzen für die Unternehmen unbezahlbar ist. Menschen, die eine gute Leistung erbringen, sollen dafür auch gutes Geld bekommen. Wenn ein Unternehmen einen Mercedes haben will, kann es nicht für einen VW Golf bezahlen. Nur muss der Mercedes dann in allen Situationen auch ein Mercedes sein.
Danke für das Gespräch und möge die Diskussion weitergehen!
facebook.com/magazintraining
Weiterer Artikel zu diesem Thema: Trainerhonorare in der Praxis
Liss, Dein Wissen und Deine Sachlichkeit sind solitär. Chapeau!
Fundierte Haltung statt Polemik
Sehr klar und sachlich- fundiert, da spricht die Fachfrau
Super Argumentation. Danke!
Bravo. Super Argumente. Danke