Wie zufrieden sind unsere Lehrlinge?

Wie Österreichs Lehrlinge wirklich ticken und wie zufrieden sie mit ihrer Ausbildungssituation sind, misst der neue Lehrlings-Spiegel unabhängig und anonym.

Das (beinahe) einzigartige System der dualen Lehrlings-Ausbildung in Österreich erhält einerseits international Lob und erzielt beispielsweise bei Berufswettbewerben große Erfolge. Andererseits hört man, dass die Lehre immer unpopulärer wird, die Zahl der Lehrlinge sinkt und Arbeitgeber es immer schwerer haben, speziell in bestimmten Segmenten geeignete Interessenten zu finden. Doch was denken die betroffenen Jugendlichen tatsächlich über ihren Ausbildungsplatz? Und was ist Österreichs Lehrlingen wichtig?

Das Instrument Lehrlings-Spiegel

Seit September 2016 ist der neue Lehrlings-Spiegel im Web (www.lehrlings-spiegel.at) verfügbar. Es handelt sich dabei um einen Online-Fragebogen speziell für Lehrlinge. Hier wird ihre Zufriedenheit mit der Arbeits- und Ausbildungs-Situation anonym erfragt. Ziel ist es, lehrlingsausbildenden Unternehmen wertvolles, strukturiertes Feedback zu liefern, um ganz konkret Stärken und Verbesserungspotenziale in der jeweiligen Organisation erkennen zu können. Zusätzlicher Nutzen für die Unternehmen ist die Möglichkeit eines Benchmarkings und ein Gesamtergebnis aller Teilnehmer.

Ablauf

Interessierte Unternehmen erhalten für jeden teilnehmenden Lehrling einen Zugangscode. Diese Codes werden z. B. bei Veranstaltungen weitergegeben. Der Code lässt keinen Rückschluss auf die jeweilige Person zu, die den Fragebogen ausfüllt – sondern nur auf das Unternehmen, um eine Auswertung erstellen zu können. Die Unternehmen erhalten am Ende des Befragungszeitraumes einen anonymisierten Ergebnisbericht. Dieser zeigt auf einen Blick, welche Stärken und welche Verbesserungspotenziale die Lehrlinge für ihr Unternehmen orten. Ausbildungsbetriebe erhalten ebenfalls das anonymisierte Benchmarking mit allen teilnehmenden Firmen im Erhebungszeitraum. Die Investition für ein Unternehmen ist meist im dreistelligen Eurobereich, abhängig von der Lehrlings-Anzahl und der Unterteilung in Standorte, Organisationseinheiten oder Lehrberufe. Als Alternative zur Online-Befragung gibt es auch die Möglichkeit einer Papierbefragung.

Die Initiatoren

Entstanden ist das Werkzeug durch eine Kooperation von lehrlingspower.at und EUCUSA. Robert Frasch (Gründer des unabhängigen Netzwerks lehrlingspower.at) und Mario Filoxenidis (Geschäftsführer der Unternehmensberatung EUCUSA) wollten gemeinsam einen Beitrag leisten, um das Image der Lehrlings-Karriere kontinuierlich aufzuwerten. Gemeinsam mit engagierten Lehrlingsausbildern wurde ein maßgeschneiderter Fragebogen entwickelt, der unabhängig vom Lehrberuf und der Branche einsetzbar ist. Etwa 200 Lehrlingsausbilder waren zum Testen des Fragebogens eingeladen. Deren Feedback wurde zur Optimierung genutzt, sodass der Lehrlings-Spiegel größtmögliche Akzeptanz erzielt. Robert Frasch: »Die Stärkung der Lehrlingsausbildung ist uns ein ehrliches Anliegen. Wir wollen durch eine wertschätzende Art der Befragung den Lehrlingen zeigen, dass ihr Feedback als wichtig und wertvoll angesehen wird. Und damit auch im jeweiligen Betrieb konkret an Verbesserungsmaßnahmen gearbeitet werden kann. Durch die garantierte Anonymität werden etwaige sozial erwünschte Antworten verhindert. Außerdem sehen wir unsere Initiative als neutral und unabhängig. Wir wollen die Lehrlingsausbildung damit würdigen und positiv weiterentwickeln und haben auch aus diesem Grund das Expertenwissen der Ausbilder im Vorfeld eingebunden.«

Der Lehrlings-Spiegel richtet sich gezielt an Lehrlinge. Die Teilnehmer selbst erhalten nach der letzten Frage ein kurzes »Instant-Feedback«, das aufgrund der gegebenen Antworten erscheint. Ziel ist, dass mit den Ergebnissen pro Unternehmen tatsächlich gearbeitet wird und Optimierungsprozesse eingeleitet werden können. Außerdem können die Lehrlinge angeben, welche Aspekte ihnen besonders wichtig sind, sodass sich Prioritäten ergeben. Unternehmen können mit ihren Ausbildungs-Budgets auf die richtigen Maßnahmen setzen, um die Lehrlings-Situation weiter zu verbessern und künftige Fachkräfte an sich zu binden. Es handelt sich nicht um eine »Wettbewerbsbefragung« mit Auszeichnung des »besten« Ausbildungsbetriebes, sondern jeder Betrieb kann mit dem Ergebnis konkret etwas anfangen. Die Unternehmen können selbst Bestleistungen gesamt oder in einzelnen Bereichen für Employer-Branding-Maßnahmen nützen.

Alles im grünen Bereich

Die erste Befragungswelle wurde mit Jahresende 2016 abgeschlossen. Vor allem große Unternehmen aus den Bereichen Produktion und Handel sowie ihre Lehrlinge hatten sich an diesem ersten Testlauf beteiligt.

Gesamzufriedenheit Lehrlings-Spiegel 2016-4 ohne absolute Zahlen

Dazu Mario Filoxenidis: »Die Gesamtzufriedenheit bei den 5 abgefragten Dimensionen Arbeitssituation, Information/Kommunikation/Zusammenarbeit, Führung, berufliche Entwicklung und Unternehmensimage war insgesamt mit der Bewertung 1,5 auf einer 6-teiligen Skala (1 = volle Zustimmung, 6 = volle Ablehnung zu einer positiv formulierten Aussage) außerordentlich hoch. Natürlich gab es in der Verteilung aber auch kritische Antworten.«

Am wichtigsten waren den Befragten Arbeitsklima, faire Behandlung durch die Führungskraft bzw. den Ausbilder und Hilfsbereitschaft durch Kollegen. Diese Faktoren waren alle im »grünen Bereich«. Top-Bewertungen erhielten die ausbildenden Betriebe bei den Themen »Kenntnis der Erwartungen«, »Zukunftssicherheit« sowie »Umsetzen von Erlerntem im Betrieb«. Verbesserungswürdig eingestuft wurden hingegen in Summe die Themenbereiche »Wissen über Hintergründe von Entscheidungen«, das »Ernstnehmen von eingebrachten eigenen Ideen«, der »konstruktive Umgang mit Fehlern«, aber auch »Feedback und Offenheit unter Kollegen«. Dazu Filoxenidis: »Lehrlinge wollen offensichtlich mit ihren Ideen und Vorschlägen ernst genommen werden und fordern rascheres und häufigeres Feedback ein. Hier unterscheiden sie sich eventuell von anderen Generationen. Die große Bedeutung des Arbeitsklimas und ein funktionierendes Team sehen wir aber über alle Altersgruppen.«

Ebenfalls interessant: Insgesamt ist erkennbar, dass Lehrlinge am Ende der Lehrzeit deutlich kritischer sind, da ihre Erwartungshaltung gegenüber dem Arbeitgeber mit der Lehrzeit steigt. Filoxenidis: »Ein eindeutiges Signal dafür, dass besonderes Augenmerk auf diese Lehrlingsgruppe sehr wichtig ist. Offenbar fühlen sich Lehrlinge am Ende der Lehrzeit schon mehr als vollwertige Mitarbeiter denn als Lehrlinge. Sie machen sich Gedanken und stellen ihre Forderungen. Hier sollte man mit speziellen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ansetzen, die Schnittstelle zur Personalentwicklung nicht vergessen und Perspektiven bieten.«

2017 wird es den Lehrlings-Spiegel unter dem Titel »Azubi-Spiegel« auch in einer für Deutschland angepassten Form geben.

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Filoxenidis

Mario Filoxenidis

»Lehrlinge wollen mit ihren Ideen und
Vorschlägen ernst
genommen werden.«

www.eucusa.at

www.lehrlings-spiegel.at

frasch

 

 

 

 

 

Robert Frasch

»Die Stärkung der Lehrlingsausbildung ist uns ein ehrliches Anliegen.«

www.lehrlingspower.at

www.lehrlings-spiegel.at