Zukunft braucht Zuversicht!

Wie kann Zuversicht in einer Welt voller Unsicherheiten zur Stärke werden, anstatt zur Illusion zu verkommen?

Keine Frage: Nur mit Optimismus lässt sich Zukunft gestalten. Doch in Anbetracht der vielen aktuellen Herausforderungen von Kriegen bis zur Verschiebung geopolitischer Machtverhältnisse ist es gar nicht so einfach, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Kopf in den Sand zu stecken und die Realität zu verweigern, bringt uns keinesfalls weiter. Umgekehrt spricht man in der Psychologie auch von Hoffnungs-Sucht nach dem Motto »Alles wird gut.« Doch im Wartesaal falscher Hoffnungen lauern die Enttäuschungen. Vielmehr gilt es eine gesunde Balance zwischen Zuversicht und Vor(aus)Sicht zu wahren. Wie kann das gelingen?

Unser Umfeld ist nicht hirngerecht
Der Wandel ist nicht mehr beständig. Vielmehr unterliegt er selbst einem Wandel: Vom Continuous zum Disruptive Change. Jetzt gilt: Gewiss ist die Ungewissheit. Und das löst in unserem Gehirn mehr Stress aus als bekannte Gefahren. Seine Grundfunktion besteht nämlich darin, zu checken »Was erwartet mich?« und ist das Anlass zu Fight or Flight oder kann ich entspannt bleiben. Der berühmte Psychologieprofessor und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann nennt es »Schnelles Denken«. Unbekanntes kann nicht eingeordnet werden. Das löst alarmierende Irritation aus. Kein Wunder, dass so viele Ängste in unserer Gesellschaft und in den Unternehmen in Umlauf sind. Um zu verdeutlichen, wie unser Gehirn mit dem spontanen, intuitiven Reagieren überfordert ist, lade ich sie zu einem Gedankenexperiment ein. Erster Schritt: Wenn unsere Mutter Erde nicht 4,5 Milliarden, sondern leichter vorstellbare 100 Jahre alt wäre, so gäbe es erst seit 4 Monaten Menschenaffen, seit 18 Tagen die Gattung Homo und erst seit 2,5 Tagen uns Homo Sapiens. Wir sind noch kein bewährtes Erfolgsmodell der Evolution, sondern vielmehr ein fragiles Element im Ökosystem. Wenn ich im zweiten Schritt die ca. 300 000 Jahre Menschheitsgeschichte auf 100 Jahre schrumpfe, so gibt es erst seit 24 Tagen Elektrizität, seit 12 Tagen Computer, seit 6 Tagen Internet und seit immerhin 14 Stunden ChatGPT & Co.
Die schlechte Nachricht: Emotionen beginnen als von der Evolution geprägte körperliche Affekte. Die können wir uns nicht aussuchen. Die gute Nachricht: Wir können Emotionen willentlich steuern. Und das müssen wir auch, weil unsere Grundverhaltensmuster für ein völlig anderes Umfeld geschaffen sind.

Selfleadership
Eines der weit verbreiteten Frankl-Zitate ist: »Ihr könnt mir alles antun, aber ihr habt nie in der Hand wie ich darauf reagiere.« Dahinter steckt der Gedankengang: »Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.« Frankl appelliert, von den verbliebenen Möglichkeiten die bestmögliche zu ergreifen. Auf Albert Bandura geht das Konzept der Selbstwirksamkeit zurück. Das ist ein Mindset, der dazu führt, dass ich mich auf das fokussiere, was ich beeinflussen kann und nicht auf das, was sich meinem Einfluss entzieht. Als Extrem-Taucher weiß ich, dass es keinen Sinn macht, gegen Strömungen anzukämpfen. Vielmehr geht es darum, die eigene Körperhaltung bestmöglich an die Strömung anzupassen und auch Strömungsschatten zu nutzen. Je stärker die Strömung, d. h. je mehr sich meinem Einfluss entzieht, desto wichtiger ist es, auf die Selbststeuerung zu achten. Das gilt auch im »trockenen Alltag«. Im Business-Kontext spricht man von Selfleadership, das notwendige Voraussetzung für jede Form von Leadership ist.

Dramen entkatastrophisieren
Stress erzeugt Tunnelblick und wir fokussieren uns auf die Gefahr bzw. auf das, was nicht geht. Außerdem sinkt der Serotoninspiegel in unserem Gehirn. Dadurch werden alle Emotionen intensiver und alle Gefahren erscheinen größer. Erster Schritt der Lösungsfindung ist daher immer aus dem Stress aussteigen. Zum Entkatastrophisieren geeignet sind z. B. Humor, glückliche Gedanken oder konkreter in der Umsetzung tiefes Ausatmen. In unserer Familie leben wir den Grundsatz: »Irgendwann finden wir es lustig. Dann können wir auch gleich darüber lachen.« Wir sind wirklich trainiert darin, auch an negativen Ereignissen, die kuriosen Seiten zu erkennen. Der Gedanke »Wie werde ich in einiger Zeit auf diese Episode blicken?« hilft auch, Distanz zu wahren. Ähnlich wirkt die Fragestellung: »Wenn das nicht mir passiert wäre, sondern einem Freund, was würde ich ihm raten?«

Es gibt immer mehr Möglichkeiten
Als Mathematiker bin ich es gewohnt, wenn es keine Lösung gibt, auf die Annahmen zu schauen und mich zu fragen, wie ich diese verändern kann, damit es eine Lösung gibt. So hat »5 minus 7« in den Natürlichen Zahlen keine Lösung, sehr wohl aber in den Ganzen Zahlen. Daraus hat sich mein Reflex entwickelt, wenn ich »Das geht nicht.« höre, sofort zu relativeren auf »SO geht das nicht. Was können wir ändern, dass es gehen kann?« Dieser Perspektivenwechsel – in der Fachsprache Reframing – lässt sich trainieren. Als Taucher nutze ich die Metapher »Meer der Möglichkeiten«. Einerseits im Sinne von Goethes Ausspruch »Das freie Meer befreit den Geist« und andererseits die Erkenntnis, dass man erst wenn man eintaucht, erkennt, welch üppige Ökosysteme man unter dem scheinbaren monotonen Blau der Wasseroberfläche vorfindet. Eine Erweiterung des Denkhorizonts erweitert auch das Handlungsrepertoire und erhöht damit die Erfolgschancen. Albert Einstein wird die Aussage zugeschrieben: »Inmitten von Schwierigkeiten liegen günstige Gelegenheiten.« Das charakterisiert Chancen-Intelligenz.

Relativeren von Problemen
Ist Ihnen schon aufgefallen, dass es PROblem und nicht CONTRAblem heißt? Als Physiker und auch als Neurowissenschaftler kann ich Ihnen bestätigen: PRObleme kann man relativieren. Das WIRKLICHE PROblem ist das auf das Gehirn wirksame PROblem. Es ist die Größe des PROblems minus mein Zutrauen in die Lösungsmöglichkeiten. Richard Lazarus erkannte, dass krankmachender Stress doppelt subjektiv ist, nämlich in der Einschätzung der Anforderung als auch im Erkennen der Lösungsmöglichkeiten. »Was stimmt mich zuversichtlich, dass ich es schaffe?« ist daher der stressmindernde Gedanke schlechthin.

Die Formel der Zuversicht
Um fundierte Zuversicht zu fördern, eignet sich der Dreischritt:

  • Was ist mir schon gelungen?
    Ich lege Ihnen ans Herz »Was wären die großen Erfolge ohne die Kleinen?«
  • Welche Stärken und Strategien von mir haben sich dabei bewährt?
    Oft höre ich »Da habe ich Glück gehabt.« Das spricht dann dafür, dass man Chancen-intelligent ist.
  • Wie kann ich diese zukünftig, in gleichen, ähnlichen und auch ganz anderen Situationen nutzen?

Diese Haltung hilft uns, vom Alten zu lernen Neues zu machen. Die Welt im Umbruch braucht die Haltung erfahrener Anfänger. Diese sind einerseits im Anfängergeist offen für Neues, lernfreudig und entdeckungslustig und verstehen es andererseits Erfahrungsschätze in anderem Umfeld anders zu nutzen. So kann ich Erfahrungen vom Meistern von Gefahrensituationen beim Tauchen auch nutzen, um im Business stressresistenter und krisenfester zu werden.

Zukunft braucht UNSERE Zuversicht
Wir Homo Sapiens haben uns gegenüber den anderen der Gattung Homo durchgesetzt, weil wir über Vorstellungskraft verfügen, die wir mit unserem narrativen Gehirn mittels Geschichten mit anderen teilen können. Unseren Antrieb kann man zusammenfassen: Menschen wollen gemeinsam für die Nachkommen eine bessere Zukunft schaffen. Zugehörigkeit zu einem tragfähigen Beziehungsnetzwerk und gegenseitige Hilfsbereitschaft sind wirkmächtige Stressstoßdämpfer. Dabei gilt: Homogene Teams sind spezialisiert. Heterogene Teams bieten viel mehr Lösungsmöglichkeiten. Vorausgesetzt es gelingt, Symbiosen unterschiedlicher Stärken zu bilden, die von gegenseitiger Wertschätzung geprägt sind.

Mehr digital ermöglicht mehr menschlich
Menschliche Beziehungen sind zutiefst hirngerecht. Gerade werden in der digitalen Transformation viele menschliche Interaktionen durch Künstliche Intelligenz ersetzt. Macht uns das als Gesellschaft ärmer und kränker? Muss nicht sein. Die entscheidende Frage ist, was mit der Zeit gemacht wird, die durch die Effektivitätssteigerung mittels KI gewonnen wird. Der Digitale Humanismus, für den die Stadt Wien Vorreiter ist, setzt sich dafür ein, dass KI zum Wohl der Menschen eingesetzt wird. Industrie 4.0 charakterisiert die Effektivitätssteigerung durch Digitalisierung. Im Konzept der Industrie 5.0 wird dies ergänzt durch Resilienz, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit. Wenn durch Digitalisierung Menschen von Routineaufgaben befreit werden, dann können sie sich dadurch mehr Zeit für menschliche Beziehungen nehmen – in der beruflichen und privaten Lebenszeit.

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Gastautorin Monika
Herbstrith-Lappe
ist Gründer von Impuls & Wirkung, wirkungsvoller Trainer und Speaker des Jahres 2024.
www.MonikaHerbstrith-Lappe.com