Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat

Spannungsfelder im Betriebsrat: Konflikte und Vertraulichkeit im österreichischen Arbeitsverfassungsrecht.

Das österreichische Arbeitsverfassungsrecht regelt sehr konkret, in welchen Fragen und zu welchen Themen dem Betriebsrat grundsätzlich Mitbestimmungsrechte zukommen und in welcher Intensität diese bestehen. In der Praxis stellen sich aber vermehrt auch Fragen betreffend das »Miteinander« zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat (BR), etwa rund um die zu wahrende Vertraulichkeit und die Abwägung der Interessen beider Seiten, oder im Zusammenhang mit Konflikten innerhalb des Betriebsratsgremiums und die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Verhalten von Betriebsratsmitgliedern in deren BR-Funktion.

Weisungsfreiheit und Benachteiligungsverbote

Gesetzlich geregelt ist zunächst die Weisungsfreiheit der Betriebsratsmitglieder gegenüber dem Arbeitgeber in der Ausübung ihrer Betriebsratsfunktion und deren Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot, die zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der BR-Tätigkeit auch um ein Bevorzugungsverbot ergänzt wurden. Im Einzelfall stellen sich bei der Umsetzung immer wieder Abgrenzungsfragen insbesondere betreffend freigestellte Betriebsratsmitglieder, wie etwa bei der Bemessung von deren variabler Vergütung, weil durch das gleichzeitige Verbot von Benachteiligungen, aber auch Bevorzugungen von BR-Mitgliedern pragmatische Lösungen oft nicht einfach zu finden sind.

Geheimhaltungspflichten von BR-Mitgliedern

Immer wieder Gegenstand von Gerichtsverfahren ist auch die gesetzlich verankerte Pflicht zur Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, aber auch von persönlichen Verhältnissen oder Angelegenheiten der Arbeitnehmer, von denen BR-Mitglieder im Rahmen ihrer Funktion erfahren. Gerade bei der Mitwirkung in personellen Angelegenheiten, bei der Ausübung der Informations-, Einsichts- und Beratungsrechte der Betriebsratsmitglieder und vor allem in ihrer Funktion als entsendete Aufsichtsratsmitglieder, können BR-Mitglieder für den Betriebsinhaber besonders heikle Informationen in Erfahrung bringen. Im Unternehmensinteresse müssen vertrauliche Informationen von den Betriebsratsmitgliedern besonders sorgfältig behandelt werden und dürfen nur ausnahmsweise an andere Betriebsangehörige und i.d.R. gar nicht an Betriebsfremde weitergegeben werden.
So darf ein BR-Mitglied nach der Judikatur zu § 115 Abs 4 ArbVG Arbeitnehmern gegenüber die Gehaltsdaten anderer Mitarbeiter nicht einfach offen legen und so Einblick in die Gehaltspolitik einzelner Betriebsbereiche gewähren. In concreto wurde das Verhalten als unzulässiger Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen beurteilt und zwar unabhängig davon, ob das Betriebsratsmitglied davon ausging, im Rahmen seiner Funktion zu handeln und dadurch entschuldigt zu sein (sog. »Mandatsschutzklausel«). Welche Maßnahmen der Arbeitgeber diesfalls setzen darf bzw. muss, ob also sofort eine Zustimmung des Gerichts zur Entlassung oder Kündigung einzuholen ist, oder ob eine solche (beharrliche) Pflichtverletzung zunächst einer vorangehenden Ermahnung bedarf, hängt – wie so oft – von den Umständen des Einzelfalls ab.

Auswirkungen bei Verstößen

Für das Ausmaß der Vertraulichkeit sind die im Betrieb herrschende allgemeine Übung und ein individuelles Geheimhaltungsinteresse zu berücksichtigen, wobei im Zweifel von einer vertraulichen Behandlung auszugehen ist. So sind z. B. die Unzufriedenheit eines Mitarbeiters mit seiner aktuellen Position und Pläne betreffend seines Ausscheidens, noch dazu ohne konkreten Handlungsauftrag (betreffend die Klärung einer möglichen Tätigkeitsänderung oder einer einvernehmliche Beendigung), vom Betriebsrat vertraulich zu behandeln, und sind die erwähnten Pflichten aufgrund der weiten Formulierung des Gesetzes u. U. auch auf außerhalb der unmittelbaren Belegschaftsvertretungsaufgaben erfahrene Umstände zu erstrecken (z. B. die private Information über eine schwere Erkrankung eines Belegschaftsmitglieds oder dessen im privaten Kreis geäußerte Absicht, demnächst zu kündigen). Dass die Kenntniserlangung im Rahmen der Mitwirkungspflichten erfolgte, ist besonders evident, wenn es um dauernd freigestellte BR-Mitglieder geht, die sohin ausschließlich ihrer Betriebsratstätigkeit nachgehen und denen vertrauliche Informationen im Betrieb daher jedenfalls im Zuge ihrer Betriebsratstätigkeit bekannt geworden sind.
Ein schwerwiegender und berücksichtigungswürdiger Nachteil durch die Nichtweitergabe der erwähnten, nicht-öffentlichen Informationen ist in der Praxis regelmäßig nicht gegeben; vielmehr besteht zumeist ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung, um Unruhe und Unzufriedenheit zu verhindern.
Bei Verstößen kommt die Stellung eines Strafantrags durch den Arbeitgeber gegen das Betriebsratsmitglied bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde und die Verhängung einer Strafe von bis zu 2.180,– € in Frage.

Ehrverletzungen und Tätlichkeiten

Immer öfter sind auch erhebliche Ehrverletzungen und Tätlichkeiten von Betriebsratsmitgliedern gegenüber dem Betriebsinhaber oder anderen (i.d.R. leitenden) Arbeitnehmern und die darauffolgende Entlassung des BR-Mitglieds (auch angesichts der daraus resultierenden Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung) Gegenstand von Streitigkeiten. Unter die zahlreichen, von Gerichten bereits als verletzend qualifizierten Sachverhalte fallen Beschimpfungen wie »Vollidiot«, »Masochist«, »Sadist«, »Bordellbesucher«, oder »charakterloser Mensch«, ebenso wie die Aussagen, man habe »einen Wichser zum Chef« oder »wir sind hier in einem Sauladen …«. Auch die Behauptung mangelnder Rechtstreue oder jene, dass die Geschäftsführung keine Ahnung von Personalführung habe, das Personal absichtlich durcheinander bringe und es gegenseitig ausspiele  wurde als »Vorwurf niedriger Gesinnung« beurteilt. Als Medium der erheblichen Ehrverletzung kommen sowohl mündliche Aussagen, digitale Medien (wie MS-Teams, Social Media etc), aber z. B. auch die Verteilung von Flugblättern beleidigenden Inhalts in Frage, wenn darin etwa die Geschäftsleitung denunziert bzw. desavouiert wird. Unter »Tätlichkeiten« fallen abhängig von den konkreten Umständen u. U. auch sexuelle Belästigungen.
Bei Bejahung der erheblichen Ehrverletzung oder Tätlichkeit und Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses hat das Gericht die Zustimmung zur Entlassung zu erteilen, wobei diese nachträglich zur bereits ausgesprochenen Entlassung erfolgen kann. Anders als bei den meisten anderen Entlassungsgründen für BR-Mitglieder muss der Betriebsinhaber sohin nicht vorab die Zustimmung des Gerichts auf seine Kosten (aufgrund des bis zur Zustimmung des Gerichts und dem nachfolgenden Ausspruch der Entlassung weiterhin aufrechten Dienstverhältnisses) abwarten, sondern kann gleich entlassen, und unverzüglich die rückwirkende gerichtliche Zustimmung beantragen. Auch BR-Mitglieder tun daher gut daran, sich an die Spielregeln der Zusammenarbeit zu halten und sachliche Kritik an einzelnen Maßnahmen des Arbeitgebers und (u. U. auch harte) Verhandlungen über mögliche Schritte zur Abfederung oder Alternativen nicht in Ehrverletzungen ausarten zu lassen und damit einen Rauswurf zu riskieren.

»Kritik« an Betriebsratsmitgliedern

Oft ist der Betriebsrat – auch bedingt durch die Auswahl der Mitglieder durch die Wahl der Belegschaft – keine homogene Einheit, sondern kann es auch zu Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Mitgliedern kommen. Im Betriebsratsgremium selbst und beim Umgang von Konflikten der BR-Mitglieder untereinander ist zunächst zwischen den Aktivitäten als Arbeitnehmer aufgrund der vertraglich vereinbarten Aufgaben und ihren Rollen als Betriebsratsmitgliedern scharf zu trennen.
Während die Mitarbeiter bei Fehlverhalten, unleidlichem Umgang etc. der Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers und damit insbesondere ihrer Vorgesetzten unterliegen und sie in die Unternehmenshierarchie eingebunden sind, sind sie in ihrer Rolle als Betriebsratsmitglieder bei der Ausübung des Betriebsratsmandates letztlich niemandem gegenüber weisungsgebunden (sondern nur dem BR-Gremium insoweit »politisch verpflichtet« sind als sie mit den Stimmen der Mehrheit der BR-Mitglieder enthoben werden können, was in der Praxis allerdings nur als »Notlösung« vorkommt). Aufgrund der oben erwähnten Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbote darf die Betriebsratsfunktion, die als »Ehrenamt« neben der Arbeitstätigkeit zu verrichten ist, den Mitarbeitern bei ihrer beruflichen Tätigkeit aber keine besonderen Privilegien bringen. Setzen Mitarbeiter dabei also ein zu korrigierendes bzw. ein pflichtwidriges Verhalten, sind ihnen in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber, ungeachtet ihrer Funktion als BR-Mitglied, Weisungen zu erteilen bzw. sind sie abzumahnen und dürfen sich die Mitarbeiter für ihre beruflichen Aktivitäten und die dabei geäußerte Kritik von Vorgesetzten oder Kollegen auch nicht auf ihre Weisungsfreiheit als BR-Mitglied zurückziehen. Anderes gilt erst dann, wenn das Verhalten sich innerhalb des BR-Gremiums abspielt, weil der Arbeitgeber hier keine bzw. nur sehr eingeschränkte Eingriffsmöglichkeiten hat.

Handlungspflicht des Arbeitgebers

Für persönliche Spannungen zwischen Betriebsratsmitgliedern ist die Geschäftsleitung grundsätzlich nicht zuständig. Die Grenze ist hier aber wohl dort zu ziehen, wo die berufliche Tätigkeit beeinträchtigt wird bzw. die Grenzen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten überschritten werden.
So wie der OGH eine ehrverletzende Äußerung eines BR-Mitglieds einem anderen BR-Mitglied gegenüber betreffend einen Kollegen als erhebliche Ehrverletzung qualifizierte, kann u. U. auch eine Ehrverletzung zwischen BR-Mitgliedern oder können Mobbinghandlungen innerhalb des Betriebsrates, von denen der Arbeitgeber erfährt, Fürsorgepflichten und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Abhängig von den konkreten Umständen wird zu klären sein, ob Handlungsbedarf für den Arbeitgeber besteht, wenn im Betriebsratsgremium ein Verhalten gesetzt wird, das u. a. das Betriebsklima und die Zusammenarbeit in der eigentlichen Tätigkeit bzw. betriebliche Abläufe beeinträchtigt oder sich auf dieses negativ auswirkt. Der Arbeitgeber kann und soll sich dadurch nicht in die BR-Funktion als solche einmischen, hat aber wohl dort Eingriffsmöglichkeiten, wo sich das Verhalten über die im ArbVG vorgesehenen Rechte der BR-Mitglieder hinaus nachteilig auf den Betrieb auswirkt.

Fazit und Empfehlung

Zusammengefasst unterliegen Betriebsratsmitglieder bei von ihnen begangenem Geheimnisverrat oder bei erheblichen Ehrverletzungen strengen Sanktionen (von Privatanklage bis hin zur Entlassung) und ist auf die korrekte Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und die Wahrung der Vertraulichkeit der im Rahmen der BR-Funktion erhaltenen Informationen ganz besonders zu achten. Aber auch im BR-Gremium selbst sind gewisse Mindeststandards einzuhalten und kann dies bei Verstößen ebenfalls Konsequenzen haben.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner bei Burgstaller & Preyer.
Birgit.Vogt-Majarek@bpr.at
www.bpr.at